WÄLDER. 

Ein Langzeitprojekt über die Veränderung einer Kulturlandschaft

Unsere Waldlandschaft verändert sich rapide- was macht das mit uns,
unserer Verbundenheit mit der Landschaft, unserer Waldkultur
und Waldsehnsucht. Den Strukturen wie wir den Wald- ökonomisch und ökologisch nutzen.

Jan Philip Scheibe beschäftigt sich seit 2018 in verschiedenen Projekten immer wieder mit diesen Fragen.
Er macht deutlich, fragt und beantwortet mit den Mitteln der Kunst. Performativ, installativ und kommunikativ.

Lemgo 2018 / Rheine-Bentlage 2020 / Meschede 2021 / Lemgo 2022 / Gravenhorst 2023 / Viersen 2023

BRENNSTOFF Viersen 2023

 

Viersen August - September 2023

 

Installation 

Holz, Schilfrohr, Lehm, Kunststoffe, Stapelbank

4 x 4 x 4 m

 

Im Wald steht ein Bunker aus Lehm. Die offene Struktur ermöglicht das Einssein mit dem Wald. Die massiven Pfeiler und das Dach vermitteln gleichzeitig ein Gefühl der Geborgenheit. Die Bank lädt zur Kontemplation ein – über sich selbst, den Wald und seine Kultur. Nicht nur in Zeiten der Klimaverschiebungen. Vielleicht auch zum Nachdenken darüber, wo gerade wieder lebensnotwendiger Schutz in Bunkern gesucht wird.

Tausend Dank an Claytec für die fantastische Unterstützung mit Material und Expertise!

Eine Werkserie über die Kultur, unsere Rezeption und Nutzung der stadtnahen Wälder. Im Rahmen des Projektes BRENNSTOFF ddeer Städtischen Galerie im Park Viersen und er STADTBESETZUNG des Kultursekretariat NRW 

ICH BUNKR

 

Viersen August 2023

 

performative Kochaktion

 

Auch im Hohen Busch, dem Naherholungsgebiet der Stadt, sterben die Nadelbäume. Eine trockene Käferfichte habe ich gefällt, auf der Schulter in und durch die Stadt bis zur Städtischen Galerie getragen. Dort zu Kleinholz verarbeitet, auf dem Holz im ungarischen Gulaschofen einen Niederrheinischen Möhreneintopf – den "Muurejubbel" – mit einer Menge Möhren, Kartoffeln, Zwiebeln und zwei Packungen Butter zubereitet. Pünktlich um zwölf Uhr gab es Essen. Um eins war der Topf leer.

MURREJUBBEL

FICHTEN Lemgo 2022

 

Lemgo 02. Juni 2022

 

Installation/Intervention

Kunststoffe, Metall, Leuchtmittel, Generator, Kabel

var. Dimension

 

Zum meteorologischen Sommeranfang, bin ich zum Fichtenhang nahe des Hauses in Lemgo gegangen. Über das Feld, durch den Hohlweg überwachsen von Hainbuchen, Schlehen und Weißdorn. Hinter der Waldstraße die zum Forsthaus führt, stehen die Fichtenskelette den Hang hinauf bis kurz unterhalb des Aussichtsturms. Ich hatte meine Lichterkette, den Generator und eine Leiter dabei. Die Lichterkette habe ich in eine Baumgruppe gehängt. Ich habe ein Waldsommerfest gefeiert. Alleine. Der Generator knatterte als Requiem. In der Lemgoer Mark, dem Stadtwald der alten Hansestadt, sind von den ca. 1000 Hektaren ein drittel Fichtenwald. Eine Fläche von 420 Fußballfeldern voll toter Bäume. Im Unterholz viele junge Fichten, Brombeerranken und ein Farnmeer, das sich über das Licht und den Juniregen des vorherigen Tages freut.

Ich war wieder in den Lemgoer Wäldern. Dort machte ich in drei Monaten eine weitere künstlerische Bestandsaufnahme zum dramatischen (Fichten)-Waldsterben. Ich verwebe dabei eigene Erinnerungsstränge mit Waldtraditionen und Zukunftsaussichten des Waldes in Zeiten der Klimakrise.

Realisiert mit Mitteln der Stiftung Kultufonds

Feste (VII)

Hütte

 

Lemgo 11. Juni 2022
 

Intervention/Installation/Performance var. Dimension
Kunststoff, Kabel, Leuchtmittel, Stromaggragat.
 

Auf einer Waldfläche, kurz hinter dem Waldfriedhof schmiegt sich eine fast gänzlich undurchforstete tote Fichtenschonung an den Hang. Von den Stürmen umgeworfene Stämme in liegen kreuz und quer. Einige sind in der Mitte abgebrochen, einige samt Wurzelballen umgefallen. Mikado für Riesen. Ich suche mir eine ebene, freie Fläche, lade das Gefährt ab, trage die Bauteile zum Siedlungsplatz und stelle die Hütten auf. Wie Playmobilhäuser, nur ein bisschen größer. Kinderspielhäuser für 3-8 Jährige wie sie in den gequetschten Vorgärten der Neubauviertel stehen, auf akkurat gestutzten Rasen, mit Einzäunungen samt eingeflochtenem Kunststoffband in Grün oder Grau. Nachdem alles eingerichtet ist bereite ich mir Kaffee, Rührei und Toast auf dem funktionierenden Spielzeugherd. Der Herd wird von dem kleinen grünen Generator angetrieben. Dafür verbrenne ich primären Brennstoff in Form von E10 Benzin. Ich bekomme Besuch von drei Hunden samt Herrchen. Die Hunde platzieren sich vor den Hütten, die Menschen hören zu, was ich zu erzählen habe. Sie wundern sich über die Spielhütten im Wald und wollten mal gucken, was da so vor sich geht. Der Zustand des Waldes lässt sie seltsam kalt.

Fingerhut, du Schöner

Ich kenne dieses Lied schon lange. Wir haben es in den Spiekerooger Dünen gesungen. Die Fichtenwälder waren meist zu dicht und dunkel, sodass der Fingerhut (Digitalis) nicht gedeihen konnte. Jetzt ist der Wald abgestorben, das Sonnenlicht erreicht den Boden. Der Fingerhut wächst prächtig und großflächig. An heißen Sommertagen leidet er am fehlenden Schatten. Ich habe immer, wenn ich irgendwo einen Fingerhut sehe, dieses Lied im Kopf. Die erste Strophe zumindest. Den Rest habe ich nachgelesen. Ich war berührt und erschüttert. Bevor die Blüte des Wegerichgewächs unter der Junisonne verdorrt, habe ich mich mit Vsevold Khuotarinen im Wald getroffen. Sevo ist Schüler der Akkordeonklasse der Hochschule für Musik Detmold. Er kommt aus der Ukraine und ist seit 2018 in Detmold. Wir haben ein paarmal durchgespielt und dann aufgenommen. Hoffentlich blüht der Fingerhut bald an den Mauern, hoffentlich sind die Herrscher bald abgetreten! Hoffentlich werden die Mörder in Den Haag angeklagt! Hoffentlich bekommen wir die Energie- und Klimakrise in den Griff! Alles hängt zusammen. Stoppt die Kriege in der Ukraine und anderswo. Verlieren wir nicht den Mut.


 

Gesangsperformance

 

Text und Melodie: Magarete und Wolfgang Jehn (1976)

Akkordeon: Vsevold Khuotarinen

 

Fingerhut, du schöner,

tief im Walde,

wo die Schatten Sonne lecken

sollst dich nicht vor mir verstecken,

Sommerhaus der Bienen!

 

Digitalis grandiflora, Digitalis purpurea, Digitalis lutea

 

Fingerhut, du schöner,

an den Wegen,

wo die fremden Toten liegen

aus den schlau verschwieg´nen Kriegen,

Fahnenbaum der Toten!

 

Digitalis grandiflora, Digitalis purpurea, Digitalis lutea

 

Fingerhut, du schöner,

in den Städten

an den Mauern sollst du blühen,

wenn die Herrscher abgetreten,

wenn die Mörder fliehen!

Digitalis grandiflora, Digitalis purpurea, Digitalis lutea

 

Strauss

 

Lemgo, Juli 2022
Konzeptioneller Blumenstrauss aus Waldblumen des abgestorbenen Fichtenwaldes, professionell gebunden und fotografiert


Zwischen den Baumleichen erreicht jetzt die Julisonne den Boden. Das bisschen Regen reicht aus um ein neues und dichtes Habitat zu erschaffen. Auf weiten Flächen blühen die Blumen, Farne und Gräser des toten Fichtenwaldes. Eine Mischung aus Wald und Wiesengewächsen. Ich habe mich über umgestürzte Bäume, Brombeerdickichte und Farnwälder durch das Unterholz gekämpft und habe vom Überbordenden gepflückt. Daraus hat Annelies Blumentöpfchen in Lemgo-Brake einen Strauß gebunden. Nils Dellmann Fotografie hat den üppigen und sinnlichen Straußin seinem Studio fotografiert.

FICHTEN Meschede 2021

 

Installation

Kunststoffe, Metall, Leuchtmittel, Akkus

400 x 400 cm

 

Ein Stück eines ortsnahen Fichtenwaldes wird durch rot-weiße Baustellen Absperrbacken, samt rot leuchtender Warnlampen als Waldbaustelle eingerichtet. Die Absperrbacken rahmen eine quadratische Fläche Fichtenwald (ca. 4 x 4 m) ein, auf jeder der Absperrbaken blinken rote LED Baustellenwarnleuchten.

Auch der Fichtenwald im Sauerland ist auf immer größer werdenden Flächen tot. Die Trockenheit der letzten Jahre und der Borkenkäfer und die Stürme haben dem Flachwurzler den Garaus gemacht. Über weite Flächen, die vormals in tiefem Tannengrün daherkamen, spannt sich
ein nun ein immer dünner werdendes grau-rot-braunes Netz aus trockenen Ästen samt fallenden Nadeln. Bald stehen nur noch Baumskelette. 
Jan Philip Scheibe beschäftigt sich während des Projektzeitraumes in Meschede mit den nahe gelegenen Fichtenwäldern.
In fünf Kapiteln machte er deutlich, fragt und beantwortet mit den Mitteln der Kunst. Performativ, installativ und kommunikativ.
Dazu wurde von Seiten des Kulturamtes Meschede ein Rahmenprogramm mit Waldführungen, Lesungen u.ä. angeboten.

Im Rahmen der stadtbesetzung des Kulturbüros NRW

KAPITEL I / Waldbaustelle II

KAPITEL II / Fichte II

 

Installation

Variable Maße, Holz, Graphit, Metall

 

In der Alten Synagoge, dem Ausstellungsraum der Stadt Meschede wird eine abgestorbene Fichte installiert. Der Baum samt Astwerk wurde vorher mit einer Graphitschicht versehen. Es ergabt sich eine dreidimensionale Zeichnung eines abgestorbenen Fichtenwaldes.

KAPITEL IV / Holz hacken

 

Interventive Performance

 

Der Künstler, im grauen Anzug gekleidet schlägt im Fichten-Wald eine tote Fichte. Diesen Baum transportiert er auf der Schulter in die
Stadt hinein. Auf dem Marktplatz zerteilt er die Fichte mit Handsäge und Axt zu Kleinholz. Aus dem Holz bereitet er auf einem portablen,
mit Holz befeuerten Ofen eine traditionelle Sauerländer Schnibbelbohnensuppe. Der Eintopf wird den Gästen serviert.

KAPITEL V / Buchdrucker

 

Videoprojektion

 

Ist genug Feuchtigkeit vorhanden können Fichten durch die Bildung von Harzen ressfeinde wie den Buchdrucker abwehren. Bei Trockenheit jedoch kann sich die Fichte seiner Fresslust nicht erwehren. Nach den letzten sehr trockenen Sommern, die in NRW zur schlimmsten Dürre seit 250 Jahren geführt haben, sind viele geschwächte Bäume dem Angri des Buchdruckers zum Opfer gefallen. Tief haben sie ihre Brutgänge in das Xylem gefräst und die wasserführenden Leitungsbahnen so zerstört. Der Baum vertrocknet. Die Brutgänge des Buchdruckers an einer abgestorbenen Fichte werden digitalisiert und per Videoprojektion als Animation auf den Kirchturm der Walburga Kirche in Meschede projiziert.

SKAUHYTT Rheine-Bentlage 2020

Ein Projekt von Ole Nieling am Kloster Bentlage, Rheine 2020

 

Für 10 Tage habe ich in der sehr rudimentären Skauhytt am Bentlager Waldrand gewohnt. Die Waldhütte bot im Sommer/Herbst 2020 - nach Stationen in Norwegen und in den Niederlanden- vier Künstler*innen als Artist in Residence Unterkunft und Auseinandersetzung mit den Klosterwäldern und einer vergessenen Lebensart.  In dem Video erzähle ich Ole von meinen Erfahrungen während der Residency.

[INSTANT] LANDSCAPE Lemgo 2020

 

Performative Intervention

 

Nicht weit weg vom Elternhaus an den Hängen des Windelsteins habe ich, im grauen Anzug gekleidet, eine trockene Käferfichte geschlagen, auf der Schulter getragen oder hinter mir her gezogen zum Haus gebracht. Dort habe ich sie weiterverarbeitet.

Im Rahmen der Ausstellung [INSTANT] LANDSCAPE in der Städtischen Galerie Eichenmüllerhaus in Lemgo - Brake beschäftigte ich mich performativ und installativ mit dem inzwischen abgestorbenen Fichtenwald in Lemgo. 

 

Baum holen I

Fichte (Graphit) I

Installation

Variable Maße, Holz, Graphit, Metall


In der Städtischen Galerie Eichenmüllerhaus Lemgo wurde die abgestorbene Fichte, geschlagen im Lemgoer Stadtwald, installiert.
Der Baum samt Astwerk wurde mit einer Graphitschicht versehen.

Leerstand Lemgo 2018

 

Installation

variable Maße, Holz, Acrylfarbe

 

An der Stelle im Lemgoer Stadtwald lag eine umgekippte Buche über dem Bach. Als Kinder sind wir oft hingegangen um auf dem Baum zu wippen. Mit der Familie haben wir sonntags am Bach gepicknickt. Später habe ich hier mit S. meine ersten Installationen aufgebaut. Jetzt hat sich der Ort verändert. Die Stürme sind durchgezogen, es ist kräftig durchgeforstet worden. Weitere Fichten sind durch rote Zeichen am Stamm zur Fällung markiert. Da wo früher die Wippe über dem Bach lag liegt nun ein anderer Baum. Ich habe den Baum blau angemalt.

Bis zu seinem 21. Lebensjahr wohnte der Licht und Performancekünstler in Lemgo. Viele seiner Performances und Installationen haben seinen gedanklichen Ausgang in der alten Hansestadt. Im Rahmen des Projektes „LEERSTAND 2018“ des Kultursekretariats NRW kam der Künstler im Sommer 2018 für einen Monat zurück. Er machte sich auf die Suche nach seiner eigenen latenten Geschichte die oft einen direkten Ortsbezug innerhalb und außerhalb der Stadt hat und bringt diese in Verbindung mit seiner Erfahrung als Künstler und dem Istzustand der Stadt. Dabei entdeckte er in erster Linie seinen Reffernzwald- die Lemgoer Mark- und seine tiefe Verbundenheit zu dem Stadtwald wieder.  

 

der blaue Baum

WÄLDER

 

Performative Intervention

 

Besuch der prototypischten Stellen im Lemgoer Wald. Das Neonleuchtschildd "Wälder" trug ich in der Hand. In der anderen den kleinen blauen Generator. Bei dem Besuch ist mir erstmals der kränkelnde Zustand der Fichten aufgefallen. 

die Linde

 

Installation

Neon, Kabel, Plexiglas, Holz

 

Am Waldrand steht eine gewaltige Linde. Der Nachbarsjunge hatte eine besonders emotionale Beziehung zu dem Baum. Immer wenn der Sommerwind wehte und der Baum zu rauschen begann, lief der Junge auf das Feld und rief: "die Linde, die Linde". Ich habe auf dem Feld in direktem Bezug zum Baum das Neonleuchtschild "die Linde" installiert. Das Schild blinkt. 

 

© Jan Philip Scheibe 2024

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